Istanbul-Konvention: der Austritt der Türkei sollte als Weckruf verstanden werden

von Dr. Birgit Laubach

Viel Wirbel hat der im Januar verkündete Austritt der Türkei aus dem 2014 in Kraft getretenen Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) ausgelöst. Die Istanbul-Konvention ist neben der Europäischen Menschenrechtskonvention eines der zentralen menschenrechtlichen Übereinkommen des Europarats. Sie verpflichtet die Unterzeichnerstaaten zu umfassenden gesetzgeberischen, insbesondere strafrechtlichen Maßnahmen gegen Zwangsheirat (Art. 32, Art. 37), körperliche Gewalt, sexuelle Gewalt, wie Vergewaltigung, sexuelle Belästigung, Stalking (Art. 34,35,36,38) und die Verstümmelung weiblicher Genitalien sowie gegen Ehrenmorde. Die Legaldefinition der Vergewaltigung ist umfassend, weitreichende Schutzmaßnahmen vor Gewalt sind geregelt (z.B. Art. 52) und ein Expertengremium (GREVIO) soll die Anwendung der Konvention überwachen (Art. 66). Bislang konnte GREVIO die Umsetzung der Konvention in 17 Staaten evaluieren. Die Konvention sieht Maßnahmen in den Bereichen Prävention, Intervention, Schutz und Sanktion vor. Die Verpflichtungen richten sich nicht nur an staatliche Stellen auf allen Ebenen sondern stärken auch die Rolle der Zivilgesellschaft im Umsetzungsprozess (Raabe, Leisering, S.7). Von den 47 Europarats Mitgliedstaaten hatten immerhin 34 Staaten die Istanbul Konvention ratifiziert, die Türkei als eine der ersten Staaten. 

Es stellt sich die Frage, warum dieser Austritt aus der Konvention, der wie eine Ermunterung an autoritäre Staaten daherkommt, es der Türkei gleich zu tun, jetzt passiert ist. Immer wieder ist in der Türkei von schnellen Neuwahlen die Rede, um die angeschlagene Zustimmung zum Präsidenten und seiner AKP in Richtung Wahlsieg zu wenden. Der Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention könnte das erste Signal hierfür sein. Hatte nicht Polen schon vor und nach dem knappen Wahlsieg von Präsident Duda sofort angekündigt aus der Istanbul- Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt auszutreten? Die Begründung lautete, der völkerrechtliche Vertrag sei „reine Gender-Ideologie“, die polnischen Frauen und Familien letztlich schaden würde. Der Konvention selbst sind von Anfang an autoritäre Regime wie Russland, Aserbaidschan oder Ungarn ferngeblieben. Mehr noch: Im März 2017 unterzeichnete Präsident Putin ein Gesetz zur Änderung des Art. 116 des russischen Strafgesetzbuches, dass bislang strafrechtlich relevante Körperverletzungen an nahen Angehörigen – in der Regel häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder  – wie blaue Flecken oder Schürfwunden zu Ordnungswidrigkeiten herabstufte. 

Der Schritt der Türkei sollte ein Weckruf für verstärkte Werbung zur Ratifikation der Istanbul-Konvention sowohl unter den Mitgliedstaaten wie auch anderen Staaten sein, die nach Art. 81 eingeladen sind, dem Abkommen beizutreten.

 

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