“Sie nennen uns Bastarde”

Yesidische Kinder von Opfern des IS werden diskriminiert.

Von Dr Birgit Laubach.

Die Hoffnung, dass Kinder, deren Mütter von Männern des IS versklavt und vergewaltigt wurden, in die yesidische Gemeinschaft aufgenommen zu werden, währte gerade einmal drei Tage. Die Entscheidung des Obersten Yesidischen Geistlichen Rats alle diese Kinder als Mitglieder der Gemeinschaft anzuerkennen wurde einige Tage später widerrufen: nur Kinder, die von jesidischen Eltern stammen und in Sinjar und Umgebung vom IS gekidnappt wurden, dürfen wieder heimkehren, heißt es nun, um den massiven Widerstand innerhalb der yesidischen Gemeinschaft gegen die Rückkehr der Kinder, die unbekannte oder muslimische Väter haben, zu bemänteln. Nach den religiösen Gesetzen der Yesiden werden nämlich nur Kinder mit zwei yesidischen Eltern akzeptiert. Einheirat oder Konversion ist untersagt; diese vormodernen, ethnisch reines Blut fordernden Vorschriften sind eine Folge der jahrhundertelangen Verfolgung der yesidischen Minderheit. Die yesidischen vergewaltigten und versklavten Mütter und ihre Kinder werden hierdurch erneut verletzt und gedemütigt.

Allein können die Frauen in die yesidische Gemeinschaft zurückkehren, nicht aber ihre Kinder, deren Lage ungeklärt ist. Die Entscheidung des geistlichen Führers, des Baba Sheikh aus dem Jahr 2015 bezog sich nur auf die Frauen, die durch den IS vergewaltigt worden waren. Viele Kinder leben deshalb immer noch mit ihren Müttern als “Internally Displaced Persons” (IDPs) in Lagern oder sind allein in  Waisenhäusern in Mosul und anderswo untergebracht. Die Kinder werden automatisch als Muslime angesehen, da sich die religiöse Zugehörigkeit im Irak nach der des Vaters richtet. Als “Bastarde” diskriminiert sehen sie einer ungewissen Zukunft entgegen, da auch ihr rechtlicher Status bislang nicht geklärt ist. Die Identität der Peiniger des IS ist meistens unbekannt, so dass diese Kinder staatenlos sind. Das irakische Personalstatut und das Staatsangehörigkeitsrecht diskriminiert Frauen, da beispielsweise das Recht ihre Religion und Staatsangehörigkeit an Kinder weiterzugeben, beschnitten wird. Nur wenn der Vater staatenlos oder unbekannt ist, kann eine Fraue ihre Staatsangehörigkeit weitergeben. Vielfach ist dies real aber nicht der Fall, da insbesondere Minoritäten damit rechnen müssen, dass wenn ihre religiösen Vorschriften nicht greifen, die Richter eigenmächtig die Sharia anwenden und Kinder zu Muslimen erklären. Betroffen sind die Kinder von yesidischen Müttern, die durch die Hölle des IS gegangen sind und deren Kinder nach den yesidischen religiösen Vorschriften nicht zur  Gemeinschaft gehören.

Die irakische Frauenbewegung setzt sich deshalb schon seit langem für Änderungen des Personalstatuts ein. Eine spezifische gesetzliche Änderung, die es den durch den IS vergewaltigten Frauen erlauben würde, ihre Staatsangehörigkeit an das Kind weiterzugeben, wäre ein erster Schritt, den vor allem die yesidischen Frauenorganisationen fordern. Unter den zivilgesellschaftlichen Frauenorganisationen ist aber umstritten, ob die Änderungen nicht für alle irakischen Frauen erkämpft werden müssten, was angesichts der Stärke der parlamentarischen religiösen Blocks kaum in einer Legislaturperiode umsetzbar ist. Wie schwierig es ist, Frauen zu mehr Rechten zu verhelfen, zeigt das Gesetz gegen häusliche Gewalt, dass seit mehr als zehn Jahren im irakischen Parlament blockiert wird. Aber auch ein Blick in die eigene deutsche Vergangenheit beweist, wie lange es dauerte die Diskriminierung von nicht-ehelichen Kindern und ihren Müttern zu beseitigen. Die Kinder waren ebenfalls nach dem Krieg als “Bastarde” verschrien, sie galten als nicht verwandt mit dem Vater und ihre Mütter wurden von Amtsvormünden überwacht, die über das Schicksal von Mutter und Kind bestimmten. Die vollständige rechtliche Gleichstellung von nicht-ehelichen mit ehelichen Kindern in Deutschland erfolgte erst 1998!

Bewegung hat jetzt ein Vorstoß des Präsidenten des Irak ausgelöst, der dem Parlament im April die sog. Yesidi Bill zugeleitet hat. Das Gesetz verpflichtet die irakische Regierung zu umfangreichen gesundheitlichen, psychologischen und sozialen Maßnahmen, sowie Entschädigungen, um die Situation von yesidischen Opfern des Terrorregimes des IS zu verbessern. Allerdings bleiben die Formulierungen vage und individuelle Rechtsansprüche sind nicht vorgesehen. Auch die so wichtige Frage der Staatsangehörigkeit der yesidischen Kinder der vom IS vergewaltigten Frauen wird nicht geklärt. Zu hoffen ist, dass die starke irakische Frauenbewegung, die sofort aktiv geworden ist, ihre Forderungen durchsetzen kann, so dass die Mütter ihren Kinder die irakische Staatsangehörigkeit weitergeben können. 

The project “women think Iraq anew – elbarlament in Iraq 2019” is funded by the German Federal Foreign Office through funds by ifa.

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